Spirituelle Heimat
Die Kirchen werden kleiner!
Die christlichen Kirchen in Deutschland sehen einer radikalen Schrumpfung entgegen. Bis zum Jahr 2060 wird die Anzahl der Christen voraussichtlich auf nur noch 22 Millionen sinken, was einer Halbierung im Vergleich zu den aktuellen 44 Millionen entspricht. Die Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig und bekannt, darunter Überalterung und Austritte. Die neueste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung von 2023, an der erstmals auch die katholische Kirche teilgenommen hat, bestätigt diesen Trend. Dies ist eine glatte Halbierung!
Die österlichen Geschichten – aus der Sichtweise von Frauen und Männern, von Zweiflern und Ängstlichen, von Enttäuschten und Hoffenden – passen da perfekt dazu. Sie wollen in der drohenden Verzagtheit ein tiefes Gefühl von Geborgenheit und Heimatgefühl vermitteln. Der Auferstandene spricht die Menschen mit ihrem Namen an, wird ganz persönlich und zerstreut so ganz bewusst alle Bedenken und Furcht. Damit trifft er auf die tiefste menschliche Empfindung, die uns zu eigen ist: Den Wunsch, daheim zu sein, erkannt zu werden, die tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit und Heimat, die uns niemand nehmen kann und die doch so schwer zu erfüllen ist. Heimatlosigkeit - nach wie vor erleiden es heute Millionen (!) - ist bis heute ein Schicksal, das den Menschen zutiefst trifft, nicht zu vergessen die geistliche Heimatlosigkeit.
Warum macht es Sinn, einen Glauben zu haben, nach den Vorgaben einer Religion zu leben, sonntags den Gottesdienst miteinander zu feiern, fragen gegenwärtig viele Menschen?
Meine Antwort lautet: Weil wir neben der irdischen auch eine spirituelle Heimat haben wollen und brauchen, eben einen Raum, der sich auch nach der anderen Seite, auf die Seite Gottes hin öffnet.
Ein Beispiel verdeutlicht dies:
Voller Stolz zeigte einmal ein Vater auf sein mittlerweile 12-Jahre altes Mädchen und sagt in selbstbestätigendem Brustton: „Wir haben sie nicht taufen lassen, denn sie soll sich selbst für eine Religion entscheiden.“ Darauf kam sofort die bittere Antwort des Mädchens die aufzeigt, dass ihr dadurch etwas genommen wurde, ohne dass es ausgesprochen wurde: „Aber ihr sagt nicht, worum ihr mich gebracht habt!“
Jens Bauer, Diakon