Wer ist mein Nächster?

In den Evangelischen Kirchen ist der kommende Sonntag der Nächstenliebe gewidmet.
Nahezu allen Religionen ist ein Verpflichtung zur Mildtätigkeit und zur Askese oder dem Verzicht zu eigen. Im Islam gibt es den Zakat, Almosen an Bedürftige ohne der Erwartung einer Gegenleistung als Annäherung an Gott. Auch im Buddhismus gilt Nächstenliebe als Zeichen der Gotteserkenntnis.
Im aus dem Judentum hervorgehenden Christentum ist die Nächstenliebe ein zentrales Glaubenscharakteristikum. „Christ ist man nicht für sich selbst“ so formulierte es Dietrich Bonhöffer. Dabei ist die Bibel in der Ansicht, wer den nun der Nächste sei, um den man sich kümmern soll, radikal. In der Tora heißt es schon, „das man den Fremden nicht bedrücken soll“ und Israel wird von Gott daran erinnert, dass auch das Volk Israel fremd in Ägyptenland war. In den Evangelien wird die Frage „Wer ist mein Nächster“ mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter beantwortet. Hier hilft ein eigentlich verfeindeter Samaritaner einem verletzen Juden, an dem seine eigenen Leute unter Angabe scheinbar vernünftiger Gründe vorbeigingen. Mein Nächster, den ich so lieben soll wie mich selbst, ist also jeder. Einschließlich und besonders diejenigen, die ich eigentlich nicht Liebe.
Wer ist denn heute mein Nächster? Diejenigen, die unter die Räder kommen könnten, wenn nun der Sozialstaat umgebaut wird? Diejenigen, die unsere Freiheit bedrohen und gegen die wir uns nun verteidigen?
Hoffen wir, dass wir die richtige Antwort auf die Frage finden, „Wer ist mein Nächster“?
Dr. Alexander Sudahl
Prädikant
Evangelische Kirchengemeinde Wadern-Losheim