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Erfahrungen vom Mitgehen - Mein Sommer in Schweden

zwei Fahrradfahrer im Spätsommer
Datum:
19. Aug. 2025
Von:
Rainer Stuhlträger

Ich war in diesem Sommer unterwegs in Schweden. Allein, -nur mit Rad, Zelt, Schlafsack, Matte, Kochgeschirr, begrenzter Wechselkleidung. Dabei habe ich mich, old-school-mäßig, wie meine Kinder sagen, an Kartenmaterial orientiert. Das Radwegenetz dort oben im Norden ist ausgezeichnet ausgebaut. In der Regel findet sich an jeder Abzweigung und auch zwischendurch an längeren Strecken ohne Kreuzung ein Hinweisschild: zum Radweg „Sydostleden“ oder „Skaneleden“ usw., oft der nächste Ort und eine km-Angabe. Manchmal aber fehlt genau solch ein Schild, ist zugewachsen oder ich habe es, weil müde, weil von der Sonne geblendet oder ob meines gesenkten Blickes wegen Regens, nicht gesehen. Vom Wege abgekommen, orientierungslos, habe ich dann Menschen angesprochen, die mir begegneten. Und sie wiesen mir den Weg auf eine Weise, die mich überwältigte. Gemäß der Bergpredigt, freundlich, zugewandt, selbstverständlich: „Wenn dich einer bittet, mit ihm eine Meile zu gehen, so gehe mit ihm zwei.“ (Matthäus 5,41)

         

Beim ersten Mal war es ein Paar mit Rädern, das mich nicht nur auf meinen Weg zurückführte, sondern das mich darüber hinaus noch 3 km weiter begleitete und mir eine kleine Badebucht zeigte, wo ich das „Jedermannsrecht“ (das Recht, wild zu campen bei Respekt der Natur und evtl. Anwohner) praktizieren und mein Zelt für die Nacht aufstellen konnte. Ich hatte meine abendliche Dusche im Meer und einen schönen Platz zum Schlafen. Ich fühlte mich sicher und geborgen; Austausch und Begleitung hatten mir gut getan.

An anderer Stelle war ich zu lange auf einem ehemaligen Bahndamm unterwegs. Ein älterer Herr mit Rad verstand mein Englisch nicht, aber meine Suche nach dem Radweg. Er fuhr mit mir ein ganzes Stück bergab, bis die richtige Abzweigung zum Radweg auftauchte. Er musste alles wieder hochfahren. Ich war beschämt und dankbar. Selbstverständlich war das von seiner Seite aus gewesen.

Ein letztes Mal hatte ich meinen Weg in Kristianstad verloren. Wieder half mir spontan ein Paar mit Rädern weiter. Sie änderten ihre Route, nahmen einen Umweg in Kauf und brachten mich auf meinen Weg und zeigten mir noch Einkaufsmöglichkeiten.

         

Bei meinem Fragen und Suchen hatte ich mir eine Richtungsangabe erhofft, aber mir wurde viel mehr gegeben. Wenn ich das nächste Mal hier vor Ort nach dem Weg gefragt werde, habe ich mir vorgenommen, ebenso ein Stück des Weges zu begleiten, weil mich diese Erfahrung des Mitgehens im Urlaub getragen hat.

 

Wiebke Reinhold,

Pfarrerin der Ev. Kgm. Wadern-Losheim